Tina Sackermann

... Ohne Zweifel: es bleibt Tina Sackermann ins künstlerische Horoskop geschrieben, eine Reisende zu sein. Jedes „Land, wo ich ursprünglicher Natur begegne oder einer fremden Kultur”, schlägt sie in Bann. Wer sich die Mühe macht, ihr biografisches Material durchzuarbeiten, der stößt darauf, dass sie dem betreffenden Land, der betreffenden Kultur sehr wohl etwas zurückzugeben vermag. Man verfolge bloß einmal, wie enthusiastisch meine Kunstkritiker-Kollegen aus dem arabischen Raum über ihre Ausstellungen geschrieben haben...

Trotzdem finde ich es der Anmerkung wert, dass Tina Sackermann in jüngster Zeit dabei war, sich mit dem Gebirge Europas, mit den Alpen auseinanderzusetzen. Als ich vorgestern zum Aufbau dieser Ausstellung dazustieß, fiel mir bereits beim ersten Rundgang ein Bild auf, dessen Weiß in der oberen Hälfte aufreißt, um eine Kante Blau freizusetzen, ganz wie Wolken, die plötzlich Durchblick gewähren auf ein paar kühle Berggipfel unter abendlichen Sternen. Gänzlich ungewohnte Landschaftsassoziationen stellten sich ein! Als ich später mit der Titelliste zurückkehrte, fand ich meinen Vergleich bestätigt: „Wilder Kaiser”, ein Wahrzeichen Tirols.
Nicht, dass ich mir jetzt um Schrumpfungen in Tina Sackermanns Reiseetat Sorgen machen würde. Ich halte es viel mehr für konsequent, dass sie das gleißende Weiß neuerdings auch in Wolken und Schnee zu entdecken vermag. Und dass sie gelernt hat, wie Meditationen möglich sind über die Höhe wie über die Weite, in der vertikalen wie in der horizontalen Erstreckung. ...
(Dr. Roland Held, Kunsthistoriker, Journalist, offizielle Eröffnungsrede vom 11.01.2002)